Mittwoch, 23. November 2011

Der "Staatstrojaner" hat jetzt ein Aktenzeichen

Einige Tage herrschte Unklarheit, jetzt ist es amtlich: Die Strafanzeige des Landesverbandes Hessen der Piratenpartei wegen des sog. Staatstrojaners ist bei der Staatsanwaltschaft Wiesbaden angekommen und hat ein Aktenzeichen erhalten. Als Beschuldigte listet die Mitteilung der Staatsanwaltschaft Volker Bouffier, das Innenministerium sowie DigiTask auf. Besonders bemerkenswert ist aber folgende Ergänzung:
"§ 999 BDSG Straftat nach dem Bundesdatenschutzgesetz"
Da scheint mein Gesetzestext zum BDSG offenbar ziemlich veraltet, endet er doch bei § 48. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass sich die Anzeige eigentlich zentral auf §§ 202a-c StGB stützt. Mal sehen, wie das weitergeht.

Sonntag, 20. November 2011

Unerwünschte Kunst im Schlosspark


In einem Strafverfahren sieht man sich zuweilen mit eher exotisch anmutenden Rechtsgebieten konfrontiert. Jedenfalls hätte ich nicht erwartet, mich in einem Verfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung und Sachbeschädigung mit dem KunstUrG beschäftigen zu müssen. Auf das hatte sich ein Polizeibeamter berufen, der bei einer Räumung im mittlerwehile berühmten Stuttgarter Schlosspark meinem Mandanten unsanft dessen Handy entrissen hatte, mit dem dieser den Einsatz filmte. Er habe den Eindruck gehabt, er werde direkt gefilmt, also quasi portraitiert, rechtfertigte sich der Beamte. Das stelle einen Verstoß gegen dieses Gesetzes dar, gegen den er sich mit dem Einsatz einfacher Gewalt habe zur Wehr setzen dürfen. Das Widersetzen meines Mandanten gegen diese Gewalt war Gegenstand der Anklage.

Die Gewalt des Polizisten hätte er sich indes klag- und wehrlos gefallen lassen müssen, meinte die Stuttgarter Justiz. Die Hand an einen Polizisten zu legen, das gehe nun einmal nicht, da waren sich der Beamte sowie der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft einig. Selbst wenn mein Mandant, wie er beteuerte, den Polizisten nicht als solchen erkennen konnte, weil dieser sich von hinten genähert habe. Eine Rechtsauffassung, die dem Gericht so plausibel erschien, wie sie mich überraschte. Wie soll dann der Polizist gefilmt worden sein können? Wozu haben wir dann das schöne KunstUrhG gebraucht?

Zum Spruch kam es glücklicherweise dennoch nicht, da wir uns auf eine Einstellung einigten, nachdem sich u.a. herausgestellt hatte, dass mein Mandant letztlich zufällig dort war. Ob das auch geklappt hätte, wäre er ein sog. „Parkschützer“ gewesen?

Jedenfalls hoffe ich, dass sich die in der Hauptverhandlung dargelegte Rechtsauffassung nicht durchsetzt. Allein schon, weil es schade wäre, nie wieder was vom KunstUrhG zu lesen…

Freitag, 11. November 2011

Iranische Geschäftsgepflogenheiten?

Der Zeuge ist nach eigenem Bekunden iranischer Geschäftsmann. Unter anderem kaufe man Immobilien. Entsprechend war auch sein Auftreten: edler Anzug, dezenter Goldschmuck, die Uhr aus einem der bekannten Fabrikationshäuser, zwar deutlicher Akzent, dennoch betont gute Sprache.

Überhaupt nicht zu diesem Eindruck passen wollte dann aber das, was er uns darüber erzählte, wie er mit seinem Schwager, dem in Teheran lebenden Geschäftsführer der GmbH, diese Immobiliengeschäfte angeblich betreibt: Ohne Vorlage eines Exposés, ohne Darstellung der Rentabilität, lediglich aufgrund eines Fotos und des Kaufpreises fliegt man demnach schon mal von Teheran nach Frankfurt, um sich dort die Immobilie anzuschauen. "Man muss das Objekt sehen, nur dann kann man entscheiden." Ah, ja...

Den Begriff "Rentabilitätsfaktor" kannte er nicht. Auch nach Beschreibung, was wir damit meinten, zuckte er nur mit den Schultern. Wirtschaftlichkeitsberechnungen braucht er angeblich auch nicht. Soso...

Das ganze wird verständlich, wenn man den Hintergrund der Anklage kennt: Mein Mandant soll auf Basis von Scheinrechnungen, denen keine reele Leistung zu Grunde gelegen habe, gegen die GmbH vorgegangen sein. Diese Rechnungen bezogen sich, der Leser wird es bereits antizipiert haben, auf Dienste im Zusammenhang mit beabsichtigten Immobilienkäufen. "Dazu wurde uns aber nur ein Bild und ein Kaufpreis genannt, mehr haben wir nicht bekommen. Nachdem wir uns die Objekte angeschaut hatten, haben wir Abstand von einem Kauf genommen."

Nach einigem Nachfragen war für alle Verfahrensbeteiligte recht schnell klar: Das war alles andere als überzeugend. Oder wie die Richterin anmerkte: "Ich weiß nicht wie das im Iran so ist, aber in Deutschland muss ich dafür bezahlen, wenn ich Dienstleistungen in Anspruch nehme." Die Vorstellung, ohne hinreichende Informationen Objekte im Wert von zwischen 20 und 40 Mio. Euro kaufen zu wollen und deswegen auf gut Glück nach Deutschland zu reisen, schaffte auch die Staatsanwältin nicht.

Einhellige Konsequenz: Freispruch. "Erster Klasse", wie die Richterin in der Begründung meinte. "Nicht zweiter Klasse, wie bei Herrn Kachelmann."

Nachtrag:
Zugegeben, da mögen im Eifer des Gefechts einige Infos rund um den Fall außen vor geblieben sein. Dazu hätte ich zweifelsohne Näheres darstellen können, ein Versäumnis, für das ich mich entschuldige und verspreche, in Zukunft noch mehr darauf zu achten, dass mir solche Unklarheiten nicht mehr unterlaufen.

Aber bei allem Verständnis für die Kritik in den Kommentaren: Rassistisch ist der Post nun wirklich nicht. Zunächst steht die Überschrift mit einem "?" Der Bezug zum Iran ergab sich vor allem daraus, dass eben die Richterin anmerkte, dass sie über die entsprechenden Verhältnisse in diesem Land nichts wisse, was ich als die in der Überschrift gefasste Frage interpretiert hatte. Wer den gesamten Artikel gelesen hat, dürfte daneben erkennen, dass ich weniger den Iran oder die Herkunft des Zeugen sondern ganz gezielt seine - höchstpersönliche! - Glaubwürdigkeit in Zweifel gezogen habe. Gerade weil ich davon überzeugt bin, dass Immobiliengeschäfte überall auf der Welt mehr oder weniger gleichartig ablaufen, jedenfalls aber nicht so, wie der Zeuge im Rahmen seiner Aussage versuchte, uns weiß zu machen. Und da hilft dann eben nicht, wenn man wie ein internationaler Immobilienhändler auftritt.